Sie sind nicht aus Biberach und besuchen das Schützenfest?
Respekt! Wir bewundern Sie. Sie sind ja scheinbar aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt! Sie wissen, auf was Sie sich da einlassen? Ja? Unsere Ehrerbietung!
Die Sehnsucht des Menschen, ferne Länder, fremde Kulturen und seltsame Sitten zu entdecken ist schließlich uralt, da haben Sie Recht. Zu allen Zeiten gab es Männer und Frauen, die auszogen um Neues zu entdecken, Abenteuer zu bestehen und sich zu bewähren. Viele von Ihnen vollbrachten außergewöhnliche Leistungen und nahmen unmenschliche Qualen auf sich. Was Sie sich allerdings vorgenommen haben, setzt dem allen wohl noch einen drauf.
Wir könnten hier versuchen, Sie zu warnen. Aber klar:
Abenteurer und Draufgänger wie Sie, die bereit sind, für diese Fahrten mit sagenumwobenem Ziel und unbekanntem Ausgang ihr Leben aufs Spiel zu setzen, lassen sich nicht aufhalten. Sie haben recht!
Aber tun Sie sich noch einen Gefallen, lesen Sie hier unsere kleinen WILDen Tipps:
1.
Seien Sie wachsam und ständig auf der Hut: Der Oberschwabe an sich ist ja schon ein eigenwilliger Charakter. Der Biberacher aber setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Woran das liegen mag, kann man nicht genau sagen. Selbst große Köpfe der Wissenschaften über die menschliche Evolution verzagen an der Frage, was damals bei der Völkerwanderung Unglaubliches im Risstal passiert sein muß. Wahrscheinlich ist es der Nebel. Der ständige Nebel, der die Menschen hier zu dem gemacht hat, was sie nun sind: Unerbittlich. Sie kennen keine Grenzen. Aber sie kennen etwas, was sonst niemand kennt: Das Glück des kommunalen Massenbefreiungstrinkens.
Und das kann dauern. Während andere Städte lächerliche drei oder vier Tage feschten, um sich in eine Ansammlung wandelnder Leichen zu verwandeln, zieht das der Biberacher zehn Tage durch. Und dann bedauert er immer noch, dass es schon vorbei ist.
Das ist rekordverdächtig und verlangt einem alles ab. Also lösen Sie sich schnell von der Vorstellung, irgendwann sagen zu können: Es ist ja hoffentlich nun gleich vorbei.
2.
Bevor Sie loslegen: Waschen und duschen Sie sich noch einmal ausgiebig. Sie werden es vermissen. Regeln Sie Ihre privaten Angelegenheiten wie Versicherungen, Nachlassverwaltung und das neue Zuhause für Ihren Goldhamster. Werden Sie nicht nervös. Gehen Sie in die nächste christliche Kirche und zünden Sie eine Kerze an. Oder singen Sie dort noch ein Lied. Das beruhigt.
Vielleicht nicht den Pfarrer, aber doch zumindest Sie.
Packen Sie genügend wetterfeste Kleidung und reißfeste Überwürfe ein. Vergessen Sie nicht das Survival-Set, Moskitonetz, die Bergseile, Spaten und Sandsturmschutzbrillen sowie Tetanus- und Malariaimpfung, Visum.
Es kann losgehen.
3.
Um das noch einmal klarzumachen: Die ganze Feier geht von Freitag Abend bis zum Sonntag der darauf folgenden Woche. Urlaub ist selbstverständlich, Vernunft ein Fremdwort.
Und frühestens am Mittwoch ist zuhause ein kleiner Mittagsschlaf erlaubt. Auf Parkbänken, Bürgersteigen und Grünflächen darf natürlich jederzeit geschlafen werden.
Sie werden genügend Menschen sehen, die das genauso machen. Aber halten Sie sich unbedingt an die Wortwahl, sonst sind Sie unten durch: Niemand sagt: ”Ich schlafe!” Niemals. Man sagt: “Oh, so ein herrliches Fleckchen Erde. Da kann man ja richtig ins Träumen kommen”. Und erst bei Regen erkennt man die wahren Freunde der Natur.
4.
Tragen Sie die richtige Kleidung. Das ist nicht einfach. Sei müssen gefeit sein gegen die Hitze des Tages, gegen die Kälte der Nacht, gegen die zugige Bergluft am Gugelhupf und die subtropische Regenhitze im Tweety. Und festes Schuhwerk brauchen Sie, zum Heimlaufen. Sie glauben gar nicht wie schwierig, uneben und unbezwingbar eine scheinbar glatt geteerte Straße zu dieser Jahreszeit werden kann.
5.
Tragen Sie einen Rucksack. Das machen alle so. Aber um Gottes Willen machen Sie sich nicht lächerlich: Ein Rucksack ist nicht für Kleidung, Essen oder persönliche Andenken gedacht.
Da drin ist einzig und allein eine Sache: Gläserne Gefäße voll erlabender Flüssigkeit mit rauschiger Wirkung. Je größer der Rucksack, umso größer das Ansehen.
Und die Zahl der Freunde.
6.
Sie sind mit dem Auto angereist? Nagelneu??? Schön! Ein besseres Basislager kann man sich nicht wünschen. Und Sie haben sich riesig gefreut, gleich mitten in der Innenstadt einen Parkplatz zu bekommen? Ein ganz ruhiges, abgelegenes Plätzchen? Wahnsinn.
Lachen Sie, solange Sie können. Denn das Grauen kommt um Mitternacht.
Sie kennen die Bilder von den Schiffbrüchigen auf hoher See? Wenn sich 5000 apathische Menschen mit hohlen, leeren Augen auf einem Ruderboot drängen? Der Anblick Ihres Autos wird Sie irgendwie verdammt daran erinnern.
7.
Amüsieren Sie sich. Mischen Sie sich ruhig unters Volk. Sie haben selten so luschtige und so brudal freindliche Menschen gesehen. Versuchen Sie halt irgendwie, sich anzupassen.
Stellen Sie sich zu Hause vor den Spiegel und üben Sie 1000mal: “An Grrrrdda voll Grrrombieraaah!”
Verstehen Sie gar nichts, so machen Sie sich nichts daraus. Fühlen Sie sich einfach wie auf einem fremdartigen Planeten. Aber lachen Sie ruhig mit, wenn andere lachen. Der Witz geht garantiert auf Ihre Kosten.
8.
Versuchen Sie nicht, einen auf krampfhaft ausgelassen und kurzlebig amüsiert zu machen. Hier geht alles ruhig und gelassen zu. Dafür hört es niemals auf. Und prahlen Sie nicht, wie viel Sie getrunken haben. Die wahren Genießer schweigen über die Menge. Würde es rauskommen, wie viel Sie intus haben, wären Sie in ständiger Gefahr, mitten auf der Straße von wissbegierigen Genforschern gekidnappt zu werden. (Oder von der Organspendermafia. Eine Leber reicht da für 15 Kranke).
Und in Wirklichkeit geht hier niemand zum Trinken hin! Das passiert halt irgendwie. Und das rund um die Uhr. Die trockene Luft, sie wissen schon!
9.
Tun Sie einfach so, als sei das alles ganz normal für Sie. Oder ist es etwas Besonderes, wenn man eine Nacht durchfeiert und sich gleich am nächsten Morgen um 9 Uhr mit letzter Kraft und quietschvergnügt zu einem Umzug schleppt, den man schon so oft gesehen hat, wie man Sommer auf der Bauchrinde hat? Na also!
10.
Vergessen Sie nie: Das Schützenfest ist keine x-beliebige Party! Das Schützenfest ist eine Ruhmeshalle der schönen Erinnerungen und Traditionen. Also wundern sie sich nicht, wenn Sie am Straßenrand stehend zwanghaft von einer furchterregenden Gestalt in Lederkutte und Fremdenlegion- Ehrenmitgliedschaft freudvoll in den Arm genommen werden, damit dieser beim Anblick einer seltsamen Ansammlung von Kindern Ihnen von links an die Brust schluchzen kann:
“Do, do, do bei de kloine Blaue, do war I mol derbei. 7. Reihe, 3. von links! I war do derbei! Ächt!”
Und wenn Sie das hinter sich haben, wird der erfolgreiche Jungmanager in Sakko und gelber Krawatte rechts von Ihnen lauthals schreien: “Ali Baba, Ali Baba!!!”.
Dann wird er eine Gänsehaut kriegen und mit tränenbeseeltem Hundeblick seiner hochhackigen Schaufensterpuppe gestehen: “Des war mol I”. Und ab nun sind alle gleich und prosten sich zu.
11.
Tun Sie so, als sei Ihnen alles bekannt. Man spaziert nicht nachts in die Consulentengasse und schreit: “Guck mol, des isch des Tweety”. So etwas ist peinlich. Im Tweety ist man zu Hause oder man bleibt ganz daheim und kümmert sich um seinen Bausparvertrag.
Und man wundert sich auch nicht ber seltsame Gestalten, die einem in genau so seltsamen Kostümen in der Nacht begegnen. Auch wenn alles noch so sonderbar aussieht, die Spezies ist schnell zugeordnet, spätestens ab Mitternacht:
Menschen, die sich in Dreier-Gruppen einhaken und im Rhythmus der Erddrehung durch die Menge schlängeln, dazu aus Hüten trinken, obwohl das gar nicht geht und mit Essen um sich werfen, sind:
Schweden.
Jungs oder Mädels, die sich verzweifelt an einem bunten Fläschchen verkrallen, sich an hübschen, andersgeschlechtlichen Sahnestückchen festhalten und sich alle 10 Minuten ins Gewissen zu reden versuchen, dass sie am nächsten Morgen um fünf Uhr schon wieder zum Ständchen spielen raus müssen, sind:
Fanfarenzug Realschule.
Scheu durch die Gegend huschende Feelein in luftigen Kleidchen, scheinbar ohne Plan, ständig mit schlechtem Gewissen und willenlos auf Party:
PG Mädchen.
Gut aussehende Jungs, weißes Hemd und höchstwahrscheinlich immer noch mit Sonnenbrille, lässig grinsend und unwiderstehlich cool in ihrem jugendlichen Leichtsinn:
WG Trommler.
Mantel, Hut, leicht nach vorne gebeugt, Bierflasche (0,5l) rechts, Zigarette links, Mitte singend:
Bürgerwehr.
Doch die wirklichen Könige der Nacht sehen anders aus: Nehmen Sie sich in Acht, hier kommt die wahrhafte Gefährdung des Abendlandes einschließlich seiner Weiblichkeit auf Sie zu. Es gibt 3 Ausprägungen, aber alle versuchen entweder durch groß glitzernde Äuglein und krumme Bananen, durch unwiderstehlich behaarte Männerbeine in kurzen Röckchen oder durch angewachsene Weinschorlegläser Marke Original Rebstock und ein wildes Sammelsurium von Ehren-Auszeichnungs-Buttons auf ihre Potenz aufmerksam zu machen.
Sie nennen sich Rhythmusbananen, Neue Alte oder Ranzengarde. Und sie haben verdammt was dagegen, wenn man die Namen verwechselt. Also seien Sie auf der Hut. Das ist Ihr Nervenkitzel. Sollte Ihnen da ein Fehler unterlaufen, erwartet Sie ein grauenhaftes Schicksal. Ihr Schabernack kann grausam sein, vor allem, wenn sie ihn gemeinsam vollziehen.
12.
Freuen Sie sich und genießen Sie Ihr Dasein. Und hören Sie jetzt endlich auf, diesen Scheiß zu lesen. Merken Sie denn nicht, dass Sie schon lange das ganze Fest verpassen????
Also los, seien Sie einfach Sie selbst. Etwas Schlimmeres kann Ihnen fast nicht passieren!